13. Forum des Förderkreises Hospiz Mittelhessen thematisiert „Sterbefasten und palliative Sedierung“
Von Heike Pöllmitz

Zum 13. Mal hatte am Samstag der Förderkreis der Hospiz Mittelhessen gGmbH unter der Schirmherrschaft von Wetzlars Oberbürgermeister Manfred Wagner zu seinem Hospiz-Forum eingeladen. Der Förderkreis-Vorsitzende Professor Günther Brobmann hieß dazu unter der Überschrift „Sorgeorientierung am Lebensende“ rund 140 Gäste in „Tasch’s Wirtshaus“ willkommen.

„Die große Resonanz zeigt mir, dass unsere aktuellen Themen Sterbefasten und palliative Sedierung von großem Interesse sind“, meinte Brobmann. Unter palliativer Sedierung versteht man den Einsatz bewusstseinsdämpfender Medikamente mit dem Ziel, unerträgliches Leid zu lindern. Brobmann machte allerdings auch deutlich, dass die Selbstbestimmung am Lebensende schon die Denkschulen im alten Griechenland beschäftigte. „Euthanatos, der ,gute Tod’ wurde mit einem Gemisch aus Schierling und Mohn herbeigeführt und berühmte Männer wie Sokrates wählten diese Todesart“, so der Professor.

Beweggründe einer Sterbenden verdeutlicht
„Der Vortrag um das Sterbefasten ist spannend, weil gesellschaftspolitisch umstritten, und bei der palliativen Sedierung kommt die Frage auf, wie weit darf ich gehen, um Leiden zu lindern?“, fragte Stadtrat Norbert Kortlüke. „Kann man einem Menschen die Autonomie geben, zu fasten, bis der Tod eintritt? Ich persönlich finde ja, denn schon im Grundgesetz steht: Die Würde des Menschen ist unantastbar“, sagte Kortlüke.

Hospizgeschäftsführerin Monika Stumpf und Mitarbeiterin Dorothea Schäfer führten ins Thema ein. Mit dem wechselseitig vorgelesenen Tagebuch zweier Schwestern wurden die Beweggründe einer Sterbenden deutlich, die seit vielen Jahren gegen den Krebs kämpft, sich sedieren zu lassen. Zunehmende Schwäche, Schmerzen und das Wissen um das nahe Ende sollen das Leben nicht mehr bestimmen, Traueranzeige und Beerdigung sind wohl überlegt vorbereitet und die Schwester soll die Familie begleiten. Trauer, aber auch Ruhe und Verständnis, lassen diese die letzten Tage am Bett ausharren. Die Frage „Wie würde ich damit umgehen?“ stand im Raum.

In einem provokanten Vortrag konfrontierte Professor Andreas Heller, Lehrstuhl für Palliative Care und Organisations-Ethik an der Universität Graz, das Publikum mit den Erfahrungen aus der Hospizarbeit. „Ist der freiwillige Verzicht auf Essen und Trinken ein begleiteter Selbstmord, der in Hospizen keinen Platz haben darf, oder gibt es hier eine Möglichkeit des autonomen Sterbens mit palliativer Unterstützung“, nannte Heller die beiden Fronten. Das Recht auf Selbstbestimmung ist seine Antwort, denn „jeder darf selbst bestimmen, was er macht, und so auch seinem Leben ein Ende setzen.“

Herbert Kaiser, Facharzt für Innere Medizin, Hämatologie/Onkologie und Palliativmedizin vom Hospiz- und Palliativ-Verein Gütersloh, beschäftigte sich mit der palliativen Sedierung, mit der er sehr sorgfältig umgegangen wissen möchte. „Es muss klar sein, dass auch bei bester palliativer Behandlung, bei manchen Patienten noch Schmerzen vorhanden sind“, so Kaiser. Auch emotionale oder spirituelle Belastungen können das Leben unerträglich werden lassen.

„Wenn man frühzeitig über die Möglichkeit der Sedierung spricht, hat der Patient immer diese Möglichkeit im Hinterkopf, kann ruhiger in seine letzte Lebensphase gehen und sich ganz bewusst
entscheiden, ob und wann der ,richtige Moment’ für ihn gekommen ist.“ „Die Anwendung der palliativen Sedierung erfordert eine vertrauensvolle Kommunikation mit allen Beteiligten und eine sorgfältige, ethisch gut begründete Entscheidung“, unterstrich Kaiser. „In jedem Fall muss darauf geschaut werden, ob Indikationen wie Schmerzen, Atemnot oder Ängste vorliegen und vor allem der Wunsch nach der Sedierung auch wirklich ohne äußeren Druck vorliegt.“ Ziel der palliativen Sedierung sei die Kontrolle von Symptomen, nicht eine Beschleunigung des Sterbens.

Zum Abschluss gab es noch eine Diskussion mit den Referenten, die Birgitta Killing, Chefärztin der Klinik für Hämatologie/Onkologie, Palliativmedizin an den Lahn-Dill-Kliniken, leitete. Fazit: Die beiden Möglichkeiten werden noch sehr selten genutzt und es sollte klar definiert sein, wann sie zum Einsatz kommen. Ein sensibler Umgang sollte Voraussetzung sein.

Wetzlarer Neue Zeitung, 12. November 2019, Seite 12