„Haus Emmaus“ für 3,8 Millionen Euro erweitert / Neues Angebot als Ergänzung zu stationärem Aufenthalt

Von Olivia Heß

In wenigen Wochen wird in Wetzlar Hessens erstes Tageshospiz an den Start gehen. Momentan wird dafür im „Haus Emmaus“ noch geschraubt, gehämmert, gestrichen und Möbel gerückt. Denn das neue Angebot ist Teil eines umfassenden Bauprojekts. Rund 3,8 Millionen Euro wurden in die Hand genommen, um einerseits weitere stationäre Betten und andererseits Platz für das Tageshospiz zu schaffen.

„Lebenszeit“ – so lautet der Name, den die Verantwortlichen für das Tageshospiz gewählt haben. Mit vier Betreuungsplätzen will man in Wetzlar starten. Das Angebot richtet sich dabei an schwer oder unheilbar kranke Menschen, die gerne weiter in ihren eigenen vier Wänden leben und tagsüber ins Hospiz kommen wollen. Sei es, um Kontakt zu anderen Menschen zu haben oder weil die pflegenden Angehörigen beispielsweise wegen beruflicher Verpflichtungen nicht rund um die Uhr zur Stelle sind.

Viele Betroffene möchten, so lange es geht, zu Hause bleiben. Gleichzeitig brauchen pflegende Angehörige im Alltag Entlastung.

Eines des neuen Zimmer im Erweiterungsbau des Wetzlarer Hospizes: Insgesamt betreut Hospizleiterin Monika Stumpf (l.) mit ihrem Team nun zehn Gäste im stationären Bereich. In wenigen Wochen kommen vier Plätze im Tageshospiz dazu, bei dem Sabine Burk (r.) die Bereichsleitung übernimmt. (Foto: Olivia Heß)

Nach Angaben von Sabine Burk, die künftig als Bereichsleiterin für das Tageshospiz zuständig ist, kann dieses teilstationäre Angebot tageweise gebucht werden. Jeweils von Montag bis Sonntag werden die Mitarbeiter zwischen 8 und 16.30 Uhr für die Tagesgäste vor Ort sein. In dieser Zeit sollen die Menschen das machen, worauf sie Lust haben: Mal- und Musiktherapie, eine entspannende Massage, Gespräche, Spaziergänge oder – wenn es wieder möglich ist – auch gemeinsame Ausflüge und Konzertbesuche. Aber auch wer sich zurückziehen will, findet seinen Platz. Neben einem Gemeinschaftsraum mit Zugang zu einer großen Terrasse gehören zwei Ruhezimmer – ausgestattet mit Pflegebett und -sessel sowie Bad – zum Tageshospiz.

Ein fester Bestandteil sind die gemeinsamen Mahlzeiten, vom Frühstück bis zum Kaffeetrinken. Wie schon im stationären Bereich haben auch die Tagesgäste die Möglichkeit, Wünsche zu äußern. Denn das Essen wird im Haus frisch zubereitet. „Essen ist ein Stück Lebensqualität. Es spricht viele Sinne an“, fasst Geschäftsführerin und Hospizleiterin Monika Stumpf die Philosophie der Einrichtung zusammen. So habe sich eine Frau beispielsweise jüngst gewünscht, noch einmal eine Käse-Sahne-Torte nach ihrem eigenen Rezept zu essen. Für das Team kein Problem.

Der Besuch des Tageshospizes ist für die Nutzer kostenfrei, erklärt Stumpf. Zu 95 Prozent übernehmen die Krankenkassen die Finanzierung, die übrigen fünf Prozent bringt das Hospiz mit Unterstützung des Förderkreises Hospiz Mittelhessen und über Spenden auf.

Ärztlich versorgt werden die Tagesgäste grundsätzlich weiterhin über ihre Haus- und Fachärzte, sagt Burk. Bei Bedarf könne das ambulante Palliativ-Team dazu gerufen werden. Darüber hinaus stehen Pflegefachkräfte mit Palliativ-Care-Ausbildung, Sozialarbeiter und Ehrenamtliche als Ansprechpartner zur Verfügung.

Eine Gedenkecke für verstorbene Gäste ist im Neubau des „Haus Emmaus“ eingerichtet worden.
(Foto: Olivia Heß)

„Zu uns kommen Menschen, die trotz schwerer Krankheit eine längere Lebenserwartung haben als die Gäste im stationären Bereich. Das können mehrere Monate oder ein bis zwei Jahre sein“, sagt Monika Stumpf. Zudem müssten die Menschen transportfähig sein und ein behandelnder Arzt muss attestieren, dass der Aufenthalt im Tageshospiz benötigt wird, nur dann übernehmen die Krankenkassen die Kosten. Für Menschen, die bettlägerig sind, die beatmet werden müssen, eine weit fortgeschrittene Demenz haben oder im Wachkoma liegen, seien allerdings weder die räumlichen noch die personellen Möglichkeiten vorhanden, ergänzt Bereichsleiterin Burk.

Das Tageshospiz ist nach Angaben der beiden Frauen das erste dieser Art in Hessen. Damit soll eine Lücke zwischen der stationären Einrichtung und ambulanten Hospizdiensten geschlossen werden. „Viele Betroffene möchten, so lange es geht, zu Hause bleiben. Gleichzeitig brauchen pflegende Angehörige im Alltag Entlastung“, erklärt Monika Stumpf.

Um Platz für „Lebenszeit“ zu schaffen und gleichzeitig der steigenden Nachfrage nach stationären Betten gerecht zu werden, war ein Erweiterungsbau notwendig geworden. Damit können nun gleichzeitig zehn statt bisher acht Menschen im „Haus Emmaus“ leben.

Weitere stationäre Betten stehen nun zur Verfügung

Nach gut anderthalb Jahren Bauzeit schmiegt sich der Anbau wie ein Mantel um das bisherige Hospiz-Gebäude in der Charlotte-Bamberg-Straße. Im Erdgeschoss sind fünf Gästezimmer für

schwer oder unheilbar kranke Menschen, die stationär ins Hospiz aufgenommen werden, eingerichtet worden. Die hellen Zimmer sind mit Pflegebett, Pflegesessel, einer Sitzecke und einem Bad ausgestattet. Von allen Zimmern hat man Zugang zu einer großen Terrasse mit Blick ins Grüne. Diese ist auch als Begegnungsort gedacht. Die Natur spielt bei der Gestaltung der Flure eine große Rolle: Birkenstämme, Moos-Wandbilder, Tapete mit Waldmotiven und Zwitscherbox sollen für eine angenehme Atmosphäre sorgen.

Der halbrunde Erweiterungsbau wäre ohne Spenden nicht möglich gewesen, sagt Hospiz-Geschäftsführerin Monika Stumpf (l.) – hier zusammen mit Dr. Johannes Hafer und Sabine Burk. Die Namen der Spender finden sich auf großen Tafeln im Neubau. (Foto: Olivia Heß)

Im Obergeschoss befinden sich Schulungsräume und das Büro für das Projekt „Charly & Lotte“, welches sich an trauernde Kinder und Jugendliche richtet. Diese waren bisher im Nachbargebäude angesiedelt.

Auch im Altbau sind die Handwerker unterwegs. Während sich im Obergeschoss fünf weitere stationäre Gästezimmer befinden, werden die Räume im Erdgeschoss momentan noch für das Tageshospiz umgebaut. Mitte, Ende Juni sollen sie voraussichtlich fertig sein, schätzt Hospizleiterin Stumpf. Genau lässt sich das nicht prognostizieren, weil der Baustoffmangel im Handwerk auch dieses Bauprojekt nicht verschont.

Die Baukosten werden laut Stumpf bei rund 3,8 Millionen Euro liegen. Den Großteil stemmt das Hospiz über ein Darlehen. Eine wichtige finanzielle Stütze sind zusätzlich die Spenden von Angehörigen ehemaliger Hospiz-Nutzer, Firmen sowie Privatleuten und natürlich der Förderkreis Hospiz Mittelhessen. „Dafür sind wir sehr dankbar“, sagt die Leiterin.

Eine Einweihungsfeier wird es aufgrund der Corona-Pandemie zwar erst einmal nicht geben. Wenn es die Infektionszahlen zulassen, soll es im Spätsommer aber einen Tag der offenen Tür geben.

Wetzlarer Neue Zeitung, 20. Mai 2021, Seite 9