In der Palliative-Care-Weiterbildung lernen auch erfahrene Fachkräfte neue Blickwinkel kennen
Von Anna-Lena Fischer

Es duftet nach Pfefferminze, Lavendel und Zitrone, die Dielen knarzen unter den Füßen. Am Ende des schmalen Flures sind Stimmen zu hören, ganz leise hinter der großen Holztür. Jetzt ist Mittagspause und die Teilnehmer des Kurses zum Thema „Ätherische Öle“ nehmen gemeinsam an einem Tisch Platz, es gibt Kaffee und Kekse. Die Situation wirkt familiär, und genau das ist sie auch, wie Stephanie Wagner, stellvertretende Leiterin des Haus Emmaus verrät.

„Die Schulungen in unserer Hospiz- und Palliativ-Akademie haben den ganz großen Vorteil, dass sich die Teilnehmer so schön miteinander vernetzen und bei Problemsituationen im Alltag aufeinander zurückgreifen können“, sagt sie.

Die Kursteilnehmer der Palliativ-Care-Weiterbildung sind nämlich allesamt berufserfahrene examinierte Pflegefachkräfte aus den unterschiedlichsten Einrichtungen des Gesundheitswesens. So ähneln sich die Abläufe in deren Berufsalltag und sie können sich gegenseitig Tipps und Ratschläge geben.

Dass sie einmal eine Weiterbildung in diesem Bereich machen würde, damit hatte Palliativ-Care-Schülerin Melanie Theis noch vor einigen Jahren nicht gerechnet. Die gelernte Altenpflegerin hatte bei einem Außeneinsatz einer Kollegin im Hospiz über die Schulter geschaut. „Ich war gleich angetan von dieser Arbeit und dem besonderen Umgang mit den Patienten“, erinnert sich Theis. Es folgte ein kurzes Praktikum im Haus Emmaus, dann der feste Entschluss, die Weiterbildung zu machen. „Hier lerne ich so viel dazu, gerade was die Zuwendung zum Patienten angeht“, weiß die junge Frau zu schätzen.

Auch ihre Mitstreiterin Andrea Nebeling ist angetan von der Thematik in den Kursen, die von Schmerztherapie über Trauerbewältigung bis zu Kommunikationstrainings alles abdecken. Andrea Nebeling arbeitet als Krankenschwester auf einer geriatrischen Station, dort soll es möglicherweise bald einen palliativ-geriatrischen Bereich geben. „Ich hätte nie gedacht, dass mich die Palliativpflege so bereichern würde“, erzählt die Kursteilnehmerin. Auch sie empfindet die Zuwendung zum Patienten in diesem Bereich als eine schöne Arbeit. Dass diese individuelle Betreuung auch etwas mit Düften zu tun haben kann, lernt Andrea Nebeling bei Fachreferentin Tamara Schäfer.

Die gelernte pharmazeutisch-technische Assistentin ist Expertin im Bereich Düfte und ätherische Öle. Sie weiß, wie sehr ein guter Duft einem Menschen helfen kann, der unter Schmerzen leidet. „Es geht dabei um das Wohlbefinden des Patienten“, beschreibt die Dozentin. Dabei sei es eben nicht damit getan, dass etwas schön rieche, sondern es stehe der palliativtherapeutische Aspekt im Fokus.

Zur Dufttherapie ist Tamara Schäfer durch die Krankheit ihres Vaters gekommen, der über mehrere Jahre pflegebedürftig war. „In dieser Zeit habe ich gemerkt, wie wirkungsvoll ätherische Öle für einen erkrankten Menschen sind“, erinnert sich Schäfer. Schon seit nunmehr 19 Jahren lehrt die Heilpraktikerin die Kunde der Öle, bei der es neben der Botanik vor allem um das Riechen und Erkunden der Düfte geht.

So finden sich in der Akademie die Teilnehmer zusammen, um gemeinsam die Welt von Lavendel, Zitrone, Pfefferminze und Co. zu entdecken. „Es kommt darauf an, aus einer Vielfalt verschiedenster Düfte genau das Richtige für einen Patienten herauszusuchen“, ergänzt Schäfer. Das schult die Duft-Expertin in der Akademie.

Für die Teilnehmer des Kurses von Tamara Schäfer ist es der zweite von acht thematischen Blöcken im Turnus der 200-stündigen Weiterbildung. Insgesamt dauert eine solche Palliativ-Care-Schulung etwa sechs bis sieben Monate. Das Anfertigen einer Hausarbeit zu einem gewählten thematischen Schwerpunkt schließt die Weiterbildung ab. Stephanie Wagner empfiehlt vor allem Menschen mit etwas längerer Berufserfahrung diese Qualifikation in der Hospiz- und Palliativ-Akademie Mittelhessen. „Es ist eben eine andere Art der Pflege, darauf können sich ganz frisch ausgebildete Pflegefachkräfte meist noch nicht einlassen“, weiß Wagner.

Überwiegend kommen Pflegekräfte durch ein Praktikum zur Hospizarbeit. So ähnlich war es auch bei Dagmar Janssen, die im Haus Emmaus Pflegerin ist. Im Alter von 57 Jahren wagte sie noch einmal den Berufswechsel und verließ ihren alten Arbeitsplatz als Dialyse-Schwester.

„In meinem privaten Umfeld stieß das teilweise auf Erschütterung und ich wurde gefragt, wie ich das aushalten kann, ständig mit Leid und Tod auseinandergesetzt zu sein“, erinnert sich Dagmar Janssen. „Ich habe dann immer gesagt, dass ich durch die Arbeit im Hospiz einen anderen Zugang zum Tod gefunden habe und mich die intensive Zuwendung zu den Patienten einfach bereichert“, strahlt die Pflegerin.

An diesem Tag in der Hospiz- und Palliativ-Akademie Mittelhessen wird deutlich, dass die Arbeit im Hospiz besondere Herangehensweisen erfordert, die von den Teilnehmern mit Herzblut verinnerlicht werden.

Wetzlarer Neue Zeitung, 23. Dezember 2019, Seite 9